Sitzung: 15.09.2022 GV/033/2022
Beschluss: Einstimmig beschlossen
Abstimmung: Ja: 5, Nein: 0, Anwesend: 5
Die
öffentliche Hand ist wie jeder Steuerpflichtige gesetzlich verpflichtet,
vollständige und richtige Steuererklärungen abzugeben. Aufgrund der Komplexität
im Steuerrecht kann es trotz größter Sorgfalt bei der Abgabe von
Steuererklärungen zu Fehlern kommen. Insbesondere betrifft die Steuerpflicht
folgende Steuerarten:
·
Lohnsteuer
z. B. Erfüllung der Arbeitgeberverpflichtungen;
Besteuerung von Arbeitseinkommen, Sachbezügen und geldwerter Vorteil
·
Umsatzsteuer
z. B. Besteuerung des umsatzsteuerlichen Unternehmensbereichs,
Besteuerung von Waren und Dienstleistungen aus dem Ausland (Wechsel der
Steuerschuldnerschaft, innergemeinschaftlicher Erwerb)
·
Körperschaft- und
Gewerbesteuer
z. B. Besteuerung der Gewinne der Betriebe
gewerblicher Art
·
Einkommensteuer
z. B. Steuerabzug nach §§ 48 bis 48 d bei
Bauleistungen, Kapitalertragsteuer bei Betrieben gewerblicher Art
Vor allem in Hinblick auf die Erweiterung der
Umsatzbesteuerung der öffentlichen Hand durch Anwendung des § 2 b UStG, der
spätestens ab dem 01.01.2023 greift, ist mit einer zunehmenden Anzahl von
umsatzsteuerlichen Fragestellungen zu rechnen. Mit dem Anstieg von
Sachverhalten, die der Besteuerung unterliegen, steigt das Risiko einer nicht
vollständigen Steuererklärung. Die Erfüllung der steuerlichen Pflichten ist
somit noch stärker als bisher in den Vordergrund zu stellen.
Eine
verspätete, fehlerhafte und unvollständige Abgabe von Steuererklärungen birgt
für die VGem Effeltrich erhebliche finanzielle und politische Risiken und kann
darüber hinaus strafrechtliche Konsequenzen für den gesetzlichen Vertreter, für
die Verwaltungsleitung sowie für verantwortliche Mitarbeiter/Innen nach sich
ziehen.
Dennoch
können objektiv unrichtige Steuererklärungen nicht ausgeschlossen werden. Die
vorrangigen Ursachen hierfür liegen in komplexen Sachverhalten, dezentralen
Verwaltungsaufbau und in unscharfen
Abgrenzungsregelungen zwischen den steuerpflichtigen und nicht
steuerpflichtigen Betätigungsbereich der öffentlichen Hand. Wird nach Abgabe
der Steuerklärung erkannt, dass diese unrichtig oder unvollständig ist und es
dadurch zu einer Verkürzung von Steuern kommen kann bzw. bereits gekommen ist,
ist unverzüglich eine Berichtigung nach § 153 AO vorzunehmen. Da es in den
letzten Jahren deutliche Verschärfungen im Steuerstrafrecht gab, ist es nicht
auszuschließen, dass im Fall einer solchen Berichtigung vom Finanzamt eine
straf- bzw. bußgeldrechtliche Vorwerfbarkeit des Erklärenden geprüft wird. Ein
Fehler ist straf- bzw. bußgeldrechtlich nur dann vorwerfbar, wenn er
vorsätzlich bzw. leichtfertig begangen wurde. Für eine Steuerhinterziehung
reicht bereits bedingter Vorsatz aus. Ob im Einzelfall Vorsatz oder Leichtfertigkeit
anzunehmen ist, und welcher der verschiedenen Vorsatzformen konkret vorliegt
oder aber nicht, ist häufig juristisch nur schwer abgrenzbar. Zur Abgrenzung
führt das Bundesministerium für Finanzen (BMF) im Anwendungserlass zu § 153 AO
vom 23.05.2016 unter der Randnummer 2.6 aus: „Hat der Steuerpflichtige ein
innerbetriebliches Kontrollsystem, das der Erfüllung der steuerlichen Pflichten
dient, kann dies ggf. ein Indiz darstellen, das – vorbehaltlich einer
Einzelfallprüfung – gegen das Vorliegen eines Vorsatzes oder der
Leichtfertigkeit sprechen kann.“ Folglich kann ein erfolgreich eingerichtetes
Kontrollsystem bei steuerstrafrechtlichen Ermittlungen zugunsten der
juristischen Person des öffentlichen Rechts und ihrer handelnden Personen
gewertet werden.
Vor diesem Hintergrund erlässt die VGem Effeltrich mit ihrer
mitverwalteten Gemeinde Effeltrich und Gemeinde Poxdorf eine Dienstanweisung
zur Besteuerung und führt gleichzeitig ein innerbetriebliches Kontrollsystem
ein, sog. Tax Compliance System (TCS).
In einem TCS sind die Grundsätze und Maßnahmen zur Einhaltung
der steuerlichen Regeln und Pflichten, unter Einbeziehung der
Organisationsstrukturen, zusammengefasst und dokumentiert, die ein rechtmäßiges
Verhalten der Verwaltungsleitung sowie der Mitarbeiter/Innen gewährleisten.
Ein angemessenes TCS basiert auf sieben – miteinander in
Wechselwirkung stehenden - Grundelementen:
1. Tax Compliance – Kultur:
Festlegung von Grundeinstellungen und erwarteten
Verhaltensweisen bezogen auf die Einhaltung der steuerlichen Pflichten,
Sanktionsmöglichkeiten bei Verstößen, Führungskräfte haben Vorbildfunktion
2. Tax Compliance – Ziele
Sicherstellung der vollumfänglichen Erfüllung der
steuerlichen Pflichten, Einführung von vorbeugenden Maßnahmen und aufdeckenden
Kontrollen, um dieses Ziel zu erreichen
3. Tax Compliance – Organisation
Festlegung von klaren Rollen und Verantwortlichkeiten und
einer lückenlosen und überschneidungsfreien Ablauforganisation mit
entsprechender Dokumentation
4. Tax Compliance – Risiken
Systematische Risikoerkennung und Risikobewertung
differenziert nach Steuerarten
5. Tax Compliance – Programm
Einführung von präventiven und detektivischen Maßnahmen um
Verstöße zu vermeiden, Erlass von Richtlinien und Checklisten, Schulungen von
Führungskräften und Mitarbeiter/Innen, Festlegung von Vertretungs- und
Unterschriftsbefugnisse, anlassbezogene und stichprobenartige Kontrollen,
Dokumentation
6. Tax Compliance – Kommunikation
Sensibilisierung und Information der Führungskräfte und
Mitarbeiter/Innen über das Programm, die festgelegten Rollen und
Verantwortlichkeiten sowie über die Risiken
7. Tax Compliance – Überwachung und Verbesserung
Überprüfung der organisatorischen Vorkehrungen und Maßnahmen,
Umsetzung von festgestellten Verbesserungsmöglichkeiten, Dokumentation
Für die VGem Effeltrich und der mitverwalteten Gemeinde
Effeltrich und Gemeinde Poxdorf wurde eine auf die Verwaltung zugeschnittene
Tax Compliance Richtlinie erarbeitet. Diese orientiert sich am Muster des
Bayerischen Kommunalen Prüfungsverbandes und des Musters von unserem
Steuerberater.
Mit der Einführung des TCS soll die vollständige und fristgerechte Erfüllung der steuerlichen Pflichten sichergestellt werden, um dadurch finanziellen Konsequenzen und persönliche Haftungsrisiken zu minimieren bzw. zu vermeiden. Ein weiteres Ziel ist die Sensibilisierung der Führungskräfte und Mitarbeiter/Innen auf die steuerrechtlichen Sachverhalte.
Beschluss:
Die Gemeinschaftsversammlung stimmt der Dienstanweisung zur Besteuerung der VGem Effeltrich und seiner mitverwalteten Gemeinde Effeltrich und der Gemeinde Poxdorf zu.
Die Gemeinschaftsversammlung stimmt der Tax Compliance Richtlinie der VGem Effeltrich und seiner mitverwalteten Gemeinde Effeltrich und der Gemeinde Poxdorf zu. Die Umsetzung und der dauerhafte Betrieb des Tax Compliance Systems mit dem Ziel, die Einhaltung der steuerlichen Pflichten angemessen und wirksam zu gewährleisten, werden befürwortet und unterstützt.